Onboarding Gebühr & Co
Ist das Preismodell der Zeitarbeit angesichts steigender Rekrutierungskosten noch zeitgemäß? Was spricht für oder gegen die Einführung einer Onboarding Gebühr?
In der aktuellen Ausgabe des BAP Magazins “Personaldienstleister” schreibt Edgar Schröder:
Seit ungefähr fünf Jahren, mit Inkrafttreten der AÜG-Reform, wird den unternehmerischen Entscheidungsträgern immer klarer vor Augen geführt, dass der Stundenverrechnungssatz zur Angebotskalkulation und letztendlich zur Rechnungsstellung für den Mitarbeitereinsatz im Kundenbetrieb massiv in Schieflage geraten ist. Der zeitintensive Aufwand der Kandidatensuche beziehungsweise Bewerbergewinnung wird nur unzureichend eingepreist. Die Vorstellungstermine von Kandidaten vor Ort beim Kunden sind in der Regel für den Kunden unentgeltlich. Das halte ich persönlich für fatal. Die Erhebung von Vorausgebühren, auch im Falle der klassischen Arbeitnehmerüberlassung, sollte sich kurzfristig etablieren.
Rekruting ist Flaschenhals der Branche
Bei der Bestandsaufnahme wird kein Zeitarbeitsunternehmen Edgar Schröder widersprechen. Zumindest gilt das dann, wenn wir seine Beobachtung auf die Entgeltgruppen EG 2 und höher beziehen Ja, die Gewinnung von Personal ist derzeit der entscheidende Flaschenhals in der Branche und es ist in der Tat schwierig, diese Kosten fair in den Verrechnungssatz einzupreisen.
Das grundsätzliche Problem liegt ja auf der Hand. Um z.B. die Kosten für das Onboarding auf den Verrechnungssatz umzulegen, müsste man ja genau wissen, wie lange der Einsatz dauert. Meistens ist das nicht der Fall und man muss sich daher mit Annahmen oder Daumenregeln behelfen. Noch extremer wird es im Zusammenhang mit der Rekrutierung. Hier müsste man sogar wissen, wie lange der Arbeitnehmer im Unternehmen verbleibt, um die Kosten sauber umlegen zu können.
Beide Seiten profitieren, wenn das Preismodell der Kostenentwicklung folgt
Grundsätzlich ist es in der Regel für beide Parteien vorteilhaft, wenn das Preismodell die Kostensituation richtig abbildet. Die Konstellation in der Zeitarbeit mit relativ hohen Bereitstellungskosten ist ja auch keineswegs ungewöhnlich. Denken Sie z.B. an Ihren Stromvertrag. Sie zahlen einerseits dafür, dass die Leistung überhaupt bereitgestellt wird (monatlicher Grundpreis) und zweitens dann für die einzelne Kilowattstunde. Das ist deshalb ein gutes Modell, weil dieses Muster auch der Kostensituation des Betreibers entspricht. Um die Grundgebühr kommen sie nicht herum, genau so wenig wie das Betreiberunternehmen um die Bereitstellungskosten. Wenn die Bereitstellungskosten per Grundgebühr abgefrühstückt werden, darf die Kilowattstunde einen günstigeren Preis haben. Als rationaler Stromkonsument werden Sie daher öfter/länger heiß duschen als in einem Preismodell ohne Grundpreis. Sie richten Ihr Verhalten nach den Grenzkosten aus, in diesem Fall dem Preis pro Kilowattstunde. Das ist ökonomisch gesprochen auch effizient. Das Kraftwerk ist nun mal gebaut, die Leitungen sind gelegt, davon sollte Ihre Entscheidung “1 Minute länger duschen ja/nein” richtigerweise nicht abhängen.
Zurück zur Zeitarbeit mit ihren aktuell hohen Rekrutierungskosten. In einem Preismodell, das die Bereitstellungskosten besser berücksichtigt (onboarding Gebühr o.ä.) kommt es zu einem ganz ähnlichen Effekt wie oben beim Strombeispiel. Hier wird es so sein, dass es in der Tendenz zu längeren Einsätzen kommt. Die Anfangszahlung gehört aus Kundensicht ebenfalls in der Rubrik “nicht mehr zu ändern”, nachdem sie bezahlt ist. Entscheidungsrelevant ist dann nur noch der verbleibende Verrechnungssatz. Der darf in diesem Modell etwas niedriger sein und so ist es aus Sicht der Kunden sinnvoll, den einen oder anderen Einsatz etwas länger laufen zu lassen.
Man kann es auch so sagen. Für Einsatzunternehmen lohnen sich längerfristige Einsätze. Durch die Onboarding Gebühr erhalten auch Kunden einen Anreiz, eher längerfristig zu planen. Und wenn es eben partout ein Kurzeinsatz sein soll, dann ist der auf die Einsatzstunde gerechnet eben teurer, was der tatsächlichen Kostensituation auch entspricht. Im Ergebnis gibt es bei diesem Preismodell mehr längerfristige und weniger kurzfristige Einsätze, und davon profitieren beide Parteien.
Aus Sicht der Preistheorie gibt es also gute Gründe für ein Preismodell mit Bereitstellungsgebühr. Wie sieht es in der Praxis aus?
Einkäufer: Gebühr bei Einsatzstart ist ausgeschlossen
Ich habe diese Frage vor kurzem mit einem Einkäufer besprochen. Grundsätzlich war er offen für das Thema. Das Problem liegt wie so oft jedoch im Detail. Wann sollte die Onboarding Gebühr fällig werden? Direkt bei Einsatzstart wäre aus Sicht des Einkäufers völlig ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt ist ja noch gar nicht klar, dass der Mitarbeiter tatsächlich auf die Stelle passt. Die Onboarding Gebühr dürfe erst nach einer Probephase fällig werden, z.B. nach einem Monat.
Das wäre aber meines Erachtens aus Sicht der Zeitarbeitsunternehmen kritisch. Denn so wird ein Anreiz geschaffen, den Mitarbeiter vor Erreichen der Frist abzumelden. Aus preistheoretischer Sicht ist das sozusagen der GAU, denn in diesem Fall sind letztlich beide Parteien Verlierer. Kein gutes Modell.
Zuschlag auf den Verrechnungssatz in den ersten 3 Monaten
Mein Vorschlag daher: am Anfang der Einsatzphase wird ein erhöhter Verrechnungssatz erhoben. 3 € zusätzlich in den ersten 3 Monaten würden z.B. auf eine Mehrzahlung von ca. 1.200 € hinauslaufen (35 Std./Woche). Aber eben nur dann, wenn der Mitarbeiter tatsächlich der richtige ist und im Einsatz bleibt. Das könnte der Einkäufer akzeptieren. Gleichzeitig vermeiden wir einen Anreiz, den Mitarbeiter vor der Zeit abzumelden. Tatsächlich ist es sogar andersherum: das Einsatzunternehmen profitiert davon, den Mitarbeiter über die ersten 3 Monate hinaus einzusetzen. Das Modell sorgt wie gewünscht dafür, dass kurzfristige Einsätze relativ gesprochen teurer sind und sich für uns rechnen. Gleichzeitig können langfristige Einsätze mit einem ab 3 Monaten attraktiven Verrechnungssatz angeboten werden und es kommt tendenziell zu längerfristigen Einsätzen, von denen beide Seiten profitieren.
Natürlich wird am Anfang einige Überzeugungsarbeit zu leisten sein, um diese Neuerung durchzusetzen. Dazu müssen Sie den Kunden klar aufzeigen, dass es den günstigeren langfristigen Verrechnungssatz nur dann gibt, wenn sie den Zuschlag in den ersten Monaten akzeptiert haben. Eine interessante Einsatzmöglichkeit sehe ich auch bei festgefahrenen Faktor-Diskussionen mit Bestandskunden. Anstatt um die letzten Hundertstel zu feilschen, ist es für beide Seiten vielleicht leichter, sich auf die Zusatzgebühr am Anfang des Einsatzes zu einigen.